Stopp! Ich weiß, es gibt in diesen Tagen einen neuen Roman von Elif Shafak. Ich rate, erst einmal diesen zu lesen, um sich einzudenken und einzufühlen in Shafaks Stil. Zugegeben: Der Bastard von Istanbul hat kleine Schwächen, die dadurch entstehen, dass schwerwiegende Themen (Völkermord an den Armeniern, inzestuöse Vergewaltigung) ziemlich leichtfüßig daherformuliert kommen. Trotzdem lesen!
Die junge Asya lebt in einem ziemlich durchgeknallten und nicht eben typisch türkischen Frauen-Haushalt in Istanbul. Ihre Mutter verrät nicht, wer ihr Vater ist. Als eine junge Verwandte -Armanoush- aus den USA zu Besuch kommt, weil sie herausfinden will, was mit ihrer armenischen Großmutter passiert ist, ver- und entwickelt sich eine rasante Geschichte. Die Leserin ahnt nach einiger Zeit, wie alles zusammenhängen könnte. Macht aber nichts, ist trotzdem sehr spannend zu lesen. Jeder ordentlich gemachte Krimi funktioniert ja so, dass die Leserin sich schlau wähnen kann! Also durchaus Lesevergnügen und sehr interessante Backgroundinformationen zum türkischen „Männersystem“ aus Sicht von Frauen und zur Armenienfrage. Shafak hat sich 2007 mit dem Roman auch prompt eine Anklage wegen „Herabsetzung des Türkentums“ eingehandelt.
Vielleicht ein Kompliment und leider höchst aktuell! Im Spiegel der letzten Woche (40) äußert Shafak sich zur Situation der Frauen in ihrem Heimatland. Sie zeigt sich besorgt, dass dieses „Schuld sind immer die Frauen“ als sexistische Mentalität gerade jetzt immer mehr um sich greift.
Elif Shafak, Der Bastard von Istanbul, Frankfurt/Main 2007