Südamerika – unten drumherum (für Bilder: anklicken)

 

Lateinamerika unten drumrum

Zu Wasser von Buenos Aires nach San Antonio.

(Wenn Sie nach einer Anwort auf die Frage Kreuzfahrt ja!? oder nich!? suchen,

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 Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich, das wohl bekannteste (und zugegeben ziemlich komische) Buch zum Thema gehört natürlich zu meiner ordentlichen deutschen Vorbereitung unserer ersten Kreuzfahrt (Flusskreuzfahrt zählt übrigens nicht). Verschiedene Ängste des Autors: Von der Unterdrucktoilette eingesogen werden, sich zu Tode amüsieren zu müssen … kamen mir jetzt nicht so bedrohlich vor, dass Planänderungen erwogen werden müssten. Die Biografie von David Foster Wallace, der neben diesem essayistisch-lustigen auch richtig tiefsinnige Texte geschrieben hat, liest sich übrigens wie eine Darstellung für Mediziner, was bei der Behandlung einer Depression alles so schiefgehen kann (Selbstmord mit 46). Da nimmt sich die Unterdrucktoilette noch harmlos aus. Bei uns versagte sie in den ersten Reisetagen manchmal den Dienst, was zu wenig erfreulichen Raumluftverschlechterungen und auch kurzzeitigen Stimmungsverdüsterungen führte.

Weitere Recherchen in Richtung Kreuzfahrt endeten schlichtweg desaströs: Die Fülle der auf dem Markt befindlichen Ratgeber ist -vornehm formuliert- wenig erhellend. Wenn komisch, dann motivisch bei Wallace abgekupfert, wenn Lebenshilfe, dann so hilfreich wie Turbo-Diätratgeber („Bikinifigur in 7 Tagen!“).

Ich war nur froh, dass ich alles für kleines Geld gebraucht (sah zu Recht allerdings völlig ungebraucht aus) gekauft hatte, wohl ahnend, dass diese Art Literatur nicht so zwingend die Zierde unseres Bücherschrankes werden sollte.

Los also. Erstmal muss der Reisende ja die Stelle erreichen, wo sich das Schiff im Wasser befindet: Buenos Aires, eine ziemlich schöne und interessante Stadt in Argentinien, die mehr als eineinhalb Tage Besuch verdient hätte, aber es gilt ja auch 3857 nm (nautische Meilen) zu schaffen.

Natürlich heißt das, dass man eine Stadt nicht wirklich kennenlernt (dazu kann man auf solch einer Reise ein Tagebuch führen, über das, was man wirklich einmal kennenlernen möchte). Ersteinmal ist der Eindruck auf dem Markt, der in Buenos Aires über viele Straßen geht (ein Sonntagsmarkt): Dasselbe Strick-Bastel-Häkel-Trödel-Mal-Konvolut wie überall in der Welt. Allerdings: Frida Kahlo und eine Vulva im Sonderangebot sind schon mal ein bisschen etwas Anderes.

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Einen kleinen Appetithappen des Ortes bekommt man ja trotzdem zu packen. Wir fanden abends tatsächlich eine Tangobar und obwohl die Mitreisenden über die Bollerbuxe des Tänzers lästerten: Die Beiden legten eine ordentliche Sohle aufs Parkett der kleinen Bühne. Dazu gab es ausgezeichneten argentinischen Wein und ein ordentliches Steak. Später tanzten die Menschen auf dem Platz davor in den interessantesten Verkleidungen öffentlich Tango. Toll!

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Erste Station ist Montevideo (Urugay), das wie eine bunt bemalte und mit politischen Plakaten dekorierte Stadt am Mittelmeer wirkt. Es gibt (etwas heruntergekommene) kolonial wirkende Architektur, moderne Bauten und wunderbare Pflanzen. Sommer!

In einem Park schenkt mir eine junge Frau, die mir stolz ihre beiden niedlichen Kinder vorstellt (der Große sei schon 12 und säße am Computer, gibt sie bedauernd zu verstehen), eine reife Schote von Erithrina crista galli (Pico de gallo – Korallenstrauch) und sagt, das sei die Nationablume Uruguays. Was für eine schöne Geste!

Meine Wand- und Türensammlung bekommt ordentlich Zuwachs in Montevideo.

Abends geht’s ins Teatro Solis. Wenn man sich von der Vermutung befreit hat, in die Mailänder Scala gebeamt worden zu sein, eine schöne Location. Halt Historismus (Mitte 19. Jht, 1500 Zuschauer, das zweitgrößte Haus Lateinamerikas)  und es gibt ein buntes Karnevalsprogramm mit schönen Farben und Musik. Toll: Die Afrikanischen Trommler, wenn ich auch gerade ziemlich intensiv an den Sklavenhandel denken muss und daran, dass wir Europäer uns da nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben.

Zurück beim Schiff, stellt sich mir schon die Foster-Wallace-Frage: Soprangeschmetter vom Schiff und eine Beleuchtung wie’n Weihnachtsbaum … der Wein und der Ausblick auf Deck 10 sind aber richtig toll…

Weiter nach Punta del Este. Das ist so etwas wie ein Miami Urugays, ein bisschen steril vielleicht und touristisch, aber mit einem autentischen Hafen, in dem sich Seelöwen tummeln, wo die Reste vom Filetieren der Fische wieder ins Wasser geworfen werden.

Punta del Este selber sieht einerseits nach Geld aus, schöne gepflegte Häuser mit wunderbar blühnenden Vorgärten, andererseits gibt es viele Häuser, an denen Verkaufsschilder hängen. Die weltberühmten Finger am Strand sind so etwas wie ein allgemeiner Fotopoint.

Auf dem Weg zu den Falklands geht es nun etwas ernsthafter zu, heißt es gibt ordentlich Wellen. Die ersten Mitreisenden mit dem berühmten Pflaster gegen Übelkeit tauchen auf. Meine Vorstellung, dass ich nicht seekrank werde, kommt am 2. Tag etwas ins Wanken, also wörtlich. Abends gibt es das Magellan Seafood Dinner auf Deck 10 und mir wird angesichts des seafoods immer komischer. Der Service ist sehr geübt im Überwinden von sprunghaften Bewegungen des Fußbodens, ich nicht. Als der Hummer vor mir liegt, ist mir klar, dass er in einer der dezenten weißen Tüten, die nun überall hängen, landen wird, wenn ich ihn esse. Ich fliehe und die anderen müssen sich opfern, den Hummer, der wirklich gut aussieht, zu vertilgen. Ich schwöre mir, dass ich mich an das Gewackel gewöhnen werde. In der Nähe von Kap Horn beginne ich Wellen zu mögen und der Pazifik kann mir dann nichts mehr anhaben. Gewonnen!

Falkland-Inseln

Very British geben sich die Falklandinseln (Islas Malvinas) zum Empfang am Hafen und wenn die Geschichte so stimmt, soll Meggie Thatcher -nachdem die Falklands von April bis Juni 1982 argentinisch waren- mit der Handtasche auf den Tisch gekloppt und  „Falklands back!“ gerufen haben. Nun sind sie wieder britisch: Die niedlichen Magellan-Pinguine, die in den Wind geduckte schöne Vegetation, die strahelnd weißen Strände…so what?! Die Kirche in Stanley gilt als die südlichste der Welt und im Supermarkt daneben fanden wir den südlichsten und mit 29 Pfund irre teuren Schnaps aus Haselünne.

Ushaia, südlichste Stadt Argentiniens am Beagle-Kanal. Da Puerto Williams in Chile nur als Dorf gilt, ist Ushuaia die südlichste Stadt der Welt. Es fühlt sich auch ein bisschen an wie das Ende der Welt. Das Gefängnis ist zum Museum umgebaut und es gehen offenbar viele Antarktisexpeditionen hier los. Man kann das südlichste Bier der Welt trinken

und die Berge im Hintergrund des Hafen sehen fast ein bisschen bedrohlich aus.

Weiter geht es durch den Beagle-Kanal. Da die 1520 von Ferdinand Magellan entdeckte und nach ihm benannte Magellanstraße (wir genießen also 2020 unser Seafood-Menü genau 500 Jahre nach Entdeckung der Magellan-Straße) nur von Schiffen der East Indian Company befahren werden durfte, ging die Suche nach Handelsrouten weiter. Angeblich fahren zwei holländische Seefahrer als erste um Tierra del Fuego (Feuerland) und werden erstmal ins Gefängnis gesteckt, als sie nach Hause kommen, weil ihnen keiner glaubt. Später (1618) wird die Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik von den Spaniern erneut entdeckt.

Auf dem Weg nach Punta Arenas „besuchen“ wir einen Gletscher, leider bei etwas trüber Sicht. Trotzdem sehr schön. Aber beim nächsten haben wir dann richtig Glück. (s.u.)

 

Bis zum Bau des Panamakanals ist Punta Arenas ein wichtiger Umschlagplatz, viele Abenteurer auf Edelmetallsuche bleiben hier hängen. Später entsteht hier Schafzucht. Wir sehen Wolle, Wolle, Wolle…in einem Handwerkermarkt gleich am Hafen und dann einen Fischmarkt mit riesengroßen Jakobsmuscheln.

Die Stadt ist wie gesiebt. Ein großes Bankgebäude sieht aus wie nach einem Krieg, viele Fenster sind mit Spanplatten zugenagelt, es hat offenbar schwere Schießereien gegeben. Wir erinnern uns, von Unruhen gehört zu haben. Das sieht hier aber ganz schön gefährlich aus. So viele Waffen und massenweise Munition?

Gegenüber dem Magellandenkmal im Park steht ein selbstgemachtes Anti-Denkmal, das den Genozid an der indigenen Bevölkerung (Selk’Nam) betrauert. Den Fuß Magellans soll man küssen, wenn man nach Punta Arenas wiederkehren möchte. Wir sehen davon ab, den (bereits blankgeküssten) Fuß Magellans ebenfalls zu knutschen, nicht nur wegen hygienischer Bedenken, auch weil wir vielleicht gar nicht so unbedingt hierher zurück wollen.

Später im Flugzeug auf dem Weg nach Paris lerne ich eine Chilenin kennen, die mir die Ursache für die Unruhen erklärt. Auslöser und uns unverständlich war eine Fahrgelderhöhung von 30 Pesos, tatsächlich geht es um das Erzwingen einer neuen Verfassung. (Es geht nicht um 30 Pesos, es geht um 30 Jahre Ungerechtigkeit, hatte mein bisschen Spanisch schon hergegeben)

Der erste Versuch einer demokratischen sozialistischen Gesellschaft (Allende) scheitert 1973 u.a. durch einen von den USA aktiv unterstützten Militärputsch durch Augusto Pinochet. Diese grausame Diktatur dauert bis 1990. Seitdem gibt es Bemühungen, Chile in eine Demokratie zu verwandeln, es gibt aber schlimme Erblasten, die den Prozess behindern. Die noch aus der Pinochet-Zeit stammende Verfassung zementiert diese. Die Gräueltaten dieses Regimes sind in nur beschränktem Maße aufgearbeitet, die sozialen Ungerechtigkeiten enorm und meine Gesprächspartnerin im Flugzeug, die Übersetzerin für die Petrochemie ist, formuliert es sehr vorsichtig: Die Gewinne gehen weiterhin in ausländische Hände. Trotzdem gibt es offenbar Ansätze für eine positive Entwicklung. Auf unserem Weg durch das glasklare Fjordwasser sehen wir viele Lachsfarmen, später Weinberge… Meine Nachbarin möchte aber lieber in Paris leben und wartet auf ihre Verrentung, obwohl sie gar keine Rente bekommen wird… Im April 2020 soll es nun endlich ein Referendum für eine neue Verfassung geben.

Weiter geht’s die unglaublich zerküftete Chilenische Küste entlang, besser: Immer mal hinein in die Fjorde und wieder aufs Meer (die Anzahl der Pflaster hinter dem Ohr steigt!). Die Landschaft ist auf schroffe Art wunderschön. Käpten Carl weckt uns um 7.45 Uhr mit einem fröhlichen time to get up! Und Recht hat er: Eine fantastische Kulisse tut sich auf. Auch der Beleuchter hat nicht geschlafen: Zunächst hängen dunkelblaugraue Wolken tief über dem Gletscher und in den Bergen. Dann knipst er ein Licht im uns abewandten Teil des graubraunen Eises an, das bricht dann wie beiläufig durch eine Wolke und fällt vorne aufs Eis. Es glitzert leuchtend himmelblau auf. Dann kommt noch der Clou: Das Wasser vor dem Gletscher fängt an definitiv dunkeltürkisgrün zu funkeln! Wer auch immer da Regie geführt hat: Kompliment! Kann ich bitte noch 7 Stunden gucken???  – Eine kleine Crew im roten Bötchen fährt Gletschereis holen und winkt fröhlich. Das Eis liegt später am Pool: Bitte nicht in den Wiskey tun oder dran lecken!

Eis holen gehn

Während des Frühstücks geht ein Sprung kleiner Delfine mit uns . Das englische Ehepaar an unserem Tisch erzählt, warum sie genau diese Reise buchen wollten. Sie haben auf den Falklands das Tagebuch seines Großvaters, der im 1. Weltkrieg dort gekämpft hat, dem Museum übergeben. Heute ist der 31. Januar 2020, denke ich, und: Mehr Schönes passt doch gar nicht in einen Tag!

Heute ist ja Brexit-Day, frozzele ich das sympatische Paar an. What Brexit?, rufen sie und beschwören -wie alle Engländer auf dem Schiff- damit hätten sie nun wahrlich gar nichts zu tun.

Auf der Weiterfahrt nach Puerto Chacabuco geht es etwas stürmisch zu. Die Anzahl der am Abendessen beteiligten Menschen ist übersichtlich. Dabei werden draußen unglaublich schöne Meerbilder geboten. In diesem Hafen erlauben wir uns die entspannte Pomadigkeit, gar nicht erst vom Schiff zu gehen. Da wir weder die Ausflüge Reiten, Wandern oder sonstwas in Patagonien gebucht haben, reicht uns der Anblick des schräg vom Wind gepeitschten Regens vollkommen. Bei Abfahrt klart es etwas auf und Fischboote und Fischfarmen werden sichtbar.

Puerto Montt sieht aus wie eine nach dem Abdrehen eines Western versehentlich stehen gebliebene Holzkulisse. Die Häuser sind bunt bemalt, zum Teil mit tollen Motiven. Ein spannender Markt zieht sich die Küste entlang und mündet in einen Fischmarkt, der ein Sortiment bietet, über das wir nur staunen können. Riesige Miesmuscheln und eine Vielfalt an Krabbel- und Fischzeugs, das wir noch nie gesehen haben. Die Sonne scheint, die Hortensien blühen und ein Saxofonspieler begleitet die schöne Sonntagsstimmung!

Sehr lebendige Tiere…

Anderntags sollen wir in San Antonio landen und von dort zum Flughafen nach Santiago de Chile gebracht werden. Der Hafen kann aber nicht angelaufen werden und Käpten Carl schippert so schnell wie möglich nach  Valparaiso…ein bisschen Spannung zum Schluss darf schon sein.

Valparaiso