Einen Autor „verkehrt herum entdecken“. Eigentlich zunächst ein Zufall. 2009 regelrecht über „Feuer brennt nicht“ von Ralf Rothmann gestolpert, weil die DDR-Thematik mich interessierte: Ein Ehepaar zieht 20 Jahre nach der sogenannten „Wende“ an den Müggelsee. Die Beschreibung der Befindlichkeit von Wolf, einem alternden Schriftsteller und einer sich entwicklenden Dreiecksgeschichte ist mit so beiläufiger Lakonie geschildert, dass der Ton, den Rothmann anschlägt, mich völlig gefangen genommen hat. „Diese Fähigkeit, dichte Atmosphäre mit kargen Mitteln zu erzeugen, hat der Autor doch sicherlich schon länger kultiviert, die ist nicht neu!“, dachte ich und fing an der Reihe nach (jetzt richtig herum), alles von ihm zu lesen.
Wer diesen Ton, diese Art Alltagsbeobachtungen, diese Zurückhaltung und stille Präzision schätzt, sollte das unbedingt auch tun: Ein Winter unter Hirschen (2003), Hitze (2005), Junges Licht (2006), Milch und Kohle (2008), Sterne tief unten (2013) sind meine Lieblingstexte von Rothmann. Besonders berührend: die Kohlenpott-Romane!
Als letztes dann: Im Frühling sterben (2015), ein absolut wunderbarer Roman zum Thema Schuld der Väter, der zum Teil als Kriegsroman ohne moralische Auseinandersetzung abqualifiziert wurde. Totaler Quatsch, finde ich. Unbedingt lesen und selber urteilen!
Und: Der Mann hat sich 2015 erst gar nicht von seinem Verlag anmelden lassen für den deutschen Buchpreis, weil er den ganzen Rummel nicht wollte. Chapeau, chapeau. Das hat vor ihm nur Genazino gebracht!
Ralf Rothmann: Fast alle Text sind als Paperback erhältlich.