Wenn man gleichzeitig viel zu Bewässerungssystemen (Zum Aralsee: siehe Ver-Reisen: Uzbekistan), Stalin und den Schriftstellern der Stalin-Zeit verstehen will, ist das ein atemberaubend interessanter Bericht. Westermann, ursprünglich Wasserbauexperte, dann Moskaukorrespondent einer niederländischen Zeitung, hat meiner Meinung da eine literarische Reportage von Weltrang geschrieben.

Seine Reise beginnt in Kara-Bugas am Kaspischen Meer und folgt den aberwitzigen Bewässerungsplänen Stalins, die der Vorstellung geschuldet sind, der Mensch könne sich die Natur (die Wüste bewässern!) und den Menschen (einen neuen Menschen erziehen!) nach seinen Vorstellungen formen. Die Ingenieure der Seele, die Schriftsteller also, die die zu erwartende Ingenieursleistung vorbereiten und das Loblieb der großartigen Bauwerke singen sollen, können sich allerdings nie sicher sein, dass ihre Kunst bei Stalin Anerkennung finden wird. Westermann folgt den Spuren von vier dieser Autoren und beschreibt deren Gradwanderung zwischen kommunistischem Hymnenstil, literarischer Redlichkeit und drohender Verbannung oder sogar Hinrichtung. Sehr interessante Mischung aus Reportage und Literaturgeschichte!

Frank Westermann, Ingenieure der Seele, Schriftsteller unter Stalin – Eine Erkundungsreise, Berlin 2003