Gut also, man muss ja nicht gleich nach Bali fahren, um diesen Roman zu lesen. Ich besorge mir immer passend zur Reise dieses und jenes für meinen E-Reader (Gewicht sparen!) und bin in diesem Fall ganz froh, dass ich mich nicht von den Kassandrarufen „Unterhaltungsliteratur“ einiger Rezensenten abschrecken ließ. Der Roman ist 1937 nach einem mehrmonatigen Aufenthalt der reiselustigen Autorin auf dem damals noch völlig unerschlossenen Bali entstanden. Sie hat offenbar exzellent recherchiert und erzählt mit großer Präzision und Einfühlung die Geschichte der Menschen auf Bali zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Man erfährt sehr viel über Sitten und Gebräuche und das Lebensverständnis der einfachen Reisbauern, aber auch des Adels, insbesondere des Raja, des Herrschers des Königreichs Badung (heute Denpasar). Das ist alles sehr spannend und interessant aufgeschrieben. Ich bin nur einmal eingeduselt, am Strand von Bali liegend: Die Geschichte mit den Kampfhähnen fand ich etwas ermüdend, es war allerdings auch ganz schön warm…Die Schilderung des „Puputan“, dem Massenselbstmord von 1906, ist allerdings dann wieder ungeheuer fesselnd aufgeschrieben, weil der Leser eine Chance hat, die Geschichte „von innen“ zu verstehen durch den Wechsel zwischen der Innenperspektive eines jungen holländischen Offiziers und der Balinesen. Das ist auch erzählerisch richtig gut gemacht.
Vicky Baum war eine Vielschreiberin, mancher Text von ihr mag als trivial gelten (sie schrieb einen Bestseller nach dem anderen, und was mögen die Leute???), aber dieser Roman ist meiner Meinung nach eine Wiederentdeckung wert.
Falls Sie keine E-Books mögen: Den Roman gibt es auch (wieder) als Paperback:
Vicky Baum, Liebe und Tod auf Bali, 1937